Hexenküche, Teufelsmühle, der Alte vom Berge… die Namensliste mythenstiftender Felsformationen ließe sich seitenlang fortführen.
Die Rede ist von den Granitklippen im Harz. Manche von ihnen ragen heroisch und dramatisch aus den Wäldern empor. Es sind Formationen, die entstehen, wenn das weichere und jüngere Gestein, welches dem Älteren aufgelegen war, verwittert und über Zeiträume von Jahrmillionen sukzessive wieder abgetragen wird. Es ist Erosion, die eine in der Regel ältere Gesteinsschicht, hier namentlich den Granit, freigelegt hat.
Demnach waren die Berge im Harz einst viel höher. Schaut man sich die gewaltigen Blockmeere aus Gestein (etwa bei Schierke zu Füßen des Brockens) an und denkt sie sich wieder aufgestapelt, so wird dies schnell augenscheinlich.
Heute liegt das uralte Gestein in Gestalt dieser Klippen an vielen Stellen wieder frei. Es ist erstarrte Magma, die einst aus dem Erdinnern empor drang, dann langsam abkühlte und sich verfestigte. Jetzt ist es seinerseits der Erosion ausgesetzt.
Niederschläge und Fröste greifen den Fels dort an, wo seine Schwachstellen sind. Es sind die Risse, die nach einem bestimmten, geometrischen System bei der Abkühlung der Magma entstehen. Die Geologen sprechen hierbei von Klüften. Von diesen her greifen die Wetter an, kerben und runden die Blöcke über lange Zeiträume dergestalt, dass der Laie meint, es handle sich um aufgestapelte „Säcke“ aus Gestein. Die Geologen (welche es besser wissen) haben sich bei der Bezeichnung dieses Phänomens ausnahmsweise einmal der volkstümlichen Sicht gebeugt und nennen es entsprechend „Wollsackverwitterung“.
Wenn wir nun vom Zeichnen dieser imposanten Klippen reden, wird es schnell heikel, denn das Pathos führt selten den besten Griffel. Das Erhabene will ich eigentlich nicht, aber die gnomischen Anmutungen drängen sich mir fast unvermeidlich auf und ich komme ständig ins Schleudern. Beim Zeichnen habe ich plötzlich eine muskulöse Schulter auf dem Papier, hier einen Mund, dort ein Ohr. Jetzt läuft es aber ganz aus dem Ruder: Ich will doch keinen Kaugummi-Surrealismus!
Die Granitklippe wird zu einer Klippe für den Zeichner, der sich müht, das ganze „Theater“ zu bändigen bzw. zu umschiffen. Und manche Versuchsanordnung landet, von Flüchen begleitet, im Papierkorb.
Doch schon bald besteigt man den Berg von Neuem. Konzentriert sich diesmal mehr auf die geometrischen Grundgerüste, die dem Spuk vielleicht ein Ende bereiten könnten. Strukturelle Askese versus Wagner-Pathos.
Aufregend und schön, bleibt mir der Granit immer ein Drahtseilakt.